Ein nicht gedruckter Leserbrief.
Betrifft: „Greif mich an!”, Feuilleton, Falter 8/20
Und es begab sich an einem Sabbat, dass der Leserbriefschreiber aus dem aktuellen Falter vorlas: für die Musikerin Zosia H., so stand es dort geschrieben, sei der Synthesizer „‚das ultimative feministische Instrument. Man kann ihn spielen, ohne Noten lesen zu können und jahrelang üben zu müssen.‘“
Die Gäste hörten mit hörenden Ohren, doch sie verstanden nicht. Da begann die Titelseite des vorletzten Falter, der auf dem Couchtisch dargeboten wurde, zu leuchten. Denn auf jenem Falter war ein Bildnis der Dohnal, die jahrzehntelang im Schweiße ihres Angesichtes dem Feminismus Vortrieb geleistet hatte. Und die Dohnal bekam feuerrote Augen, und die Menge heulte und knirschte mit den Zähnen. Da gingen die Worte, die vorgelesen worden waren, in Flammen auf und zurück blieb übelriechende Asche.
Und es fiel den Anwesenden wie Schuppen von den Augen, und sie verstanden, dass sich noch viel ändern muss in diesem Land, wenn Frauen ihresgleichen nicht zumuten, zu üben und Noten zu lernen und damit jene Ghettoisierung und Bevormundung durch die Schriftgelehrten mittragen, gegen die die Dohnal angekämpft hatte. Und das ganze dann Feminismus taufen.
Da kam eine große Trübheit über die Menge, und sie kehrten alle zu ihren Häusern zurück, nicht zuletzt weil sie den ganzen Wein ausgesoffen hatten.